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„Nur noch kurz die Welt retten“: Visionäre Klimaschutz-Idee gewinnt Zukunftspreis 2022

3. Schweinfurter Zukunftsforum zum Thema „Netto-Null-Emission und klimaneutrale Produktion“ – Schaeffler-Studierende überzeugen 
mit metallischem 3D-Druck beim Pitch-Wettbewerb

Schlaue Köpfe mit kreativen Klimaschutz-Lösungen waren gefragt beim Schweinfurter Zukunftsforum 2022: Zum diesjährigen Schwerpunktthema „Netto-Null-Emission – Klimaneutrale Produktion“ präsentierten die Finalteilnehmer viele neue Denkanstöße.


Den mit 1.500 Euro dotierten Zukunftspreis der Stadt Schweinfurt gewann ein Team von Dualen Studierenden des Schaeffler-Konzerns mit der visionären Idee eines 3D-Metall-Drucks.

Zum dritten Mal seit 2020 veranstaltete die Stadt Schweinfurt das Zukunftsforum, das diesmal zugleich den Auftakt bildete für die Premiere der „Innovation Week Schweinfurt“ vom 16. bis 22. Mai. Neben den Zukunftspreis-Präsentationen erlaubten mehrere Fachvorträge von hochkarätigen Experten aus Wirtschaft und Wissenschaft spannende Einblicke, wie das Ziel Klimaneutralität erreicht werden kann, welche Ideen und Visionen es dazu gibt und welche Maßnahmen bereits auf den Weg gebracht wurden. An dem Event im Konferenzzentrum Maininsel, das Interessierte auch digital per Livestream verfolgen konnten, nahmen Referenten unter anderem vom Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt und Potsdam-Institut für Klimaforschung sowie aus der Schweinfurter Großindustrie teil. 

Eingangs hatte Oberbürgermeister Sebastian Remelé auf die große Zukunftsforum 2022 - Foto (c) Stefan Pfister (16)Herausforderung eines klimagerechten Strukturwandels in Schweinfurt, einer der wichtigsten​​​​​​​ nordbayerischen Industriestädte hingewiesen. Es gelte nun, die richtigen Schritte in Sachen klimaneutraler Produktion einzuleiten. Das Zukunftsforum biete die Gelegenheit zum Austausch und jungen Menschen die Möglichkeit, ihre Ideen zu präsentieren. „Wir stehen vor einem Epochenwandel und es müssen jetzt schnell die Weichen für die Klimaneutralität gestellt werden“, appellierte Remelé. Zwischen Vorsatz und Umsetzung liegen seinen Worten zufolge noch Welten. Zwar bekennen sich alle zu klimafreundlichen Energien, so der OB. „Aber wenn vor der eigenen Tür ein Windpark oder eine Photovoltaikgroßanlage gebaut wird, dann ist es mit dem Vorsatz ganz schnell vorbei.“ 

Trotz ungeklärter Fragen und bei allen Herausforderungen, steht für Florian Töpper, Landrat des Landkreises Schweinfurt, das das Zukunftsforum unterstützt, eines fest: Dass Schweinfurt Produktionsstandort bleiben müsse, in einer so eng verflochtenen Region mit Unternehmen in Stadt und Landkreis. „Ich bin zuversichtlich, dass es weitergeht.“ Im Hinblick auf die Auswirkungen der Klimakrise mit Hitzewellen oder Starkregenereignissen, die im Vorjahr auch im Landkreis aufgetreten seien, müsse man sich seine Verantwortung vergegenwärtigen. „Wir sind uns als Region bewusst, dass vor Ort und bei den Bürgern die Entscheidungen getroffen werden“, so Töpper.

Einer der zahlreichen Höhepunkte des von André Kessler moderierten Zukunftsforums war der Pitch-Wettbewerb. Eine Experten-Jury hatte zuvor die besten Ideen zum Thema „Netto-Null-Emission“ in Unternehmen ausgewählt. Fünf Teams durften beim Finale im Konferenzzentrum antreten und ihre Zukunftsvisionen vorstellen. Der Schaeffler-Konzern war mit gleich drei Teams bestehend aus 30 Dualen Studierenden stark vertreten. Sie hatten ihre Visionen für eine klimaneutrale Produktion im Vorfeld bei einem „Ideen-Sprint“-Tag im Werk erarbeitet. 

Zukunftsforum 2022 - Foto (c) Stefan Pfister (110)Zum Gewinner des Schweinfurter Zukunftspreises 2022 kürte das Publikum per Online-Voting das Schaeffler-Team um Denice Brodt und Christoph Reuß. Oberbürgermeister Sebastian Remelé und Landrat Florian Töpper überreichten den mit 1.500 Euro dotierten Zukunftspreis. Ihre visionäre Idee mit dem Titel „Nur noch kurz die Welt retten“: Mit metallischem 3D-Druck den Stahlverbrauch in der Fertigung optimieren. Dadurch würden weniger Maschinen und Arbeitsschritte benötigt, weil das Schmieden, Härten und Fräsen wegfallen. Ein besserer Rohstoffverbrauch und niedrigere Lagerkosten sind nach Ansicht der Nachwuchsforscher weitere Vorteile, ebenso eine variablere Produktion. 

Ein besonderes Lob verteilte Laudator Stefan Gladeck (SKF) an die Gewinner des Zukunftspreises, aber auch für die weiteren Beiträge des Pitch-Wettbewerbs, die „spannend und sehr ermutigend“ seien. Nur mit der grünen Transformation in eine klimaneutrale Wirtschaft und Eindämmen des Energiehungers werde die Stadt Schweinfurt ihr selbstgestecktes Ziel, bis 2035 klimaneutral zu sein, erreichen. „Wir als Großindustrie sind hier mitgefordert und haben es uns auch auf die Fahnen geschrieben“, betonte Gladeck.

Auf den zweiten Platz wurde Martin Maiß von ZF gewählt. Zukunftsforum 2022 - Foto (c) Stefan Pfister (95) Er stellte die regenerative ​​​​​​​ ​​​​​​​Stromversorgung eines​​​​​​​ Industriewerks am Beispiel des Schweinfurter Werk​​​​​​​ Süd seines Arbeitgebers vor. Gelingen könnte dies, so sein Lösungsvorschlag, mit Überdachung der benachbarte Autobahn 70 mit einer Megaphotovoltaikanlage auf einem 25 Kilometer langen Teilstück. In Verbindung mit einem Hubspeicherwerk könnte der Strombedarf des Werkes zu 80 Prozent gedeckt werden. „Ein Top-Wert“, der allerdings auch seinen Preis hat: Die Investition beliefe sich auf über 200 Millionen Euro; wobei Maiß eine wirtschaftliche Umsetzung bei jährlichen Stromüberschuss-Einnahmen von 22 Millionen Euro, mit einer Amortisationszeit von 13 Jahren und einer Nutzungsdauer bis zu 40 Jahren für machbar hält.

Der Ingenieur Gerhard Niebergall (3. Platz) hat eine Lösung entwickelt, wie aus Ernterückständen mehr Humus entsteht. Bezogen auf die Getreideanbaufläche ließe sich damit die Gesamtemission von CO₂ in Deutschland um 5,3 Prozent und weltweit sogar um 14,8 Prozent binden. Gemeinsam auf den vierten Platz wurden zwei weitere Ideen von Schaeffler-Studierenden gewählt. Der Vorschlag des Teams von Jan Friedrich sieht ein klimafreundliches Energiemanagement vor, im Rahmen dessen viele „kleine Dinge große Wirkung“ zeigten. Die Logistikideen-Gruppe von Moritz Geißendörfer möchte finanzielle Anreize für Lieferanten und Zulieferer schaffen, Transporte reduzieren bzw. auf die Schiene bringen sowie auf Papierhandtücher in Schaeffler-WC verzichten und dort wasserlose Pissoir einbauen (Einsparung: rund 40 Millionen Liter Wasser pro Jahr). Alle fünf Finalisten erhielten 500 Euro Preisgeld und vor dem Wettbewerb ein Pitch-Coaching mit Dr. André Lampe. 

Zuvor hatten sechs Referenten ihre Lösungen und Visionen für eine Produktion mit Netto-Null-Emissionen vorgestellt und dabei das Thema von verschiedenen Seiten beleuchtet. Nicht nur mit den klimapolitischen Auswirkungen, sondern auch mit den finanziellen Folgen beschäftigte sich Dr. Max Franks vom Potsdam-Institut für Klimaforschung in seinem Vortrag „Effizient und sozial gerecht zu Netto-Null-Emissionen“. Bekannt sei, dass mit jedem Zehntel-Grad-Temperaturanstieg das Risiko und die Folgen stiegen. Als „goldener Weg“ wird eine CO₂-Bepreisung angesehen, wovon jedoch die ärmsten 20 Prozent der Gesellschaft stärker betroffen wären, warnt Dr. Franks. Er forderte deshalb die Politik auf, für geeignete Gegenmaßnahmen hinsichtlich einer gerechten CO₂-Bepreisung zu sorgen.

Ganz entscheidend für eine klimaneutrale Produktion ist nach Ansicht von Prof. Dr. Ulrich Müller-Steinfahrt das Produktdesign. Ressourcen, Wertschöpfungsketten, Zulieferer, Produktionsprozesse und Auslieferung zum Kunden: „Alles hängt zusammen und deshalb muss man ein Produkt immer im ganzen Kontext sehen“, betonte der Leiter des Instituts für angewandte Logistik an der Hochschule für angewandte Wissenschaften Würzburg-Schweinfurt (FHWS). Manches, so der Forscher, könne nur gemeinsam gelöst werden, etwa mit Kollaborationen von Unternehmen und Hochschulen. Ein solches Projekt ist der von ihm mitinitiierte Kunststoffkreislauf Mainfranken. „Da ist noch viel Musik drin.“ 

Was heute schon geht und was erst morgen, dazu gab Leo Pototzky Einblicke am Beispiel der Bosch Rexroth AG. Ein Klimaschutzprogramm wurde bereits 2009 gestartet und 2019 das Ziel Klimaneutralität ausgegeben. Bereits ein Jahr später waren die Bosch und Rexroth Fabriken CO₂-neutral. Mit bislang über 1.000 umgesetzten Maßnahmen konnten bis zu 50 Prozent Energie und Kosten pro Werk eingespart werden. In Schweinfurt mit seiner Lineartechnik-Produktion gelang dies unter anderem mit vielen smarten Lösungen: etwa beim Standby von Geräten und mittels Optimierungen in der Produktion beim induktiven Härten und bei  Schleifmaschinendüsen. Künftig fokussiert sich Bosch Rexroth auf Dekarbonisierung,  Produkt-Karbon-Fußabdruck, Digitalisierung und Energieforschung. 

Wärme und Wasserstoff sind für Prof. Dr. Uwe Riedel vom Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt e. V. die Schlüsseltechnologien für „Netto-Null-Emissionen“ der Industrie. Doch wie gelingt die Dekarbonisierung der Wärme, wenn die Unternehmen diese aktuell zu 90 Prozent aus fossilen Energieträgern gewinnen? Nötig sei dafür eine effiziente Kombination von Strom, Wärme und Wasserstoff, eine Technologieoffenheit und die überfällige „Wärmewende“ der Industrie. Das DLR entwickelt gerade Hochtemperaturwärmepumpen, eine Demo-Anlage soll im Herbst in Betrieb gehen. Spannender sei, so Prof. Dr. Riedel, woher der grüne Wasserstoff kommen soll: Die derzeitige Verfügbarkeit sei gering, die Kosten hoch und bis 2050 werde der Bedarf stark steigen. Er mahnte deshalb, die Brückentechnologien nicht zu vernachlässigen.

Zukunftsforum 2022 - Foto (c) Stefan Pfister (51)Petru-Catalin Scafaru stellte den Weg der Schaeffler AG zu einer nachhaltigen Produktion vor. Ziel ist es, bis zum Jahr 2030 in allen Produktionsstätten klimaneutral zu produzieren. Herausfordernd wird der Umstieg von fossilen Brennstoffen auf nachhaltige Energien. Eine essentielle Rolle spielt dabei grüner Strom, wobei die Verfügbarkeit zum Beispiel von Wasserstoff keine leichte Aufgabe sein werde, so Scafaru. Schaeffler will voraussichtlich noch in diesem Jahr in Schweinfurt, „eines unserer Vorzeigewerke“, einen ersten Elektrolyseur in Betrieb nehmen und mit der Eigenproduktion starten. Das Pilotprojekt dient der Substitution von Erdgas für die Beheizung von Härteöfen. Im Rahmen eines Energieeffizienz-Programms wurden bereits über 200 Maßnahmen umgesetzt. Weitere Maßnahmen wie die Reduzierung des Wasserverbrauchs, Modernisierung des Heizungssystems, Installationen von Photovoltaikanlagen und Elektro-Ladestellen sind angedacht oder bereits begonnen worden.

Eingeladen zum Zukunftsforum war auch der renommierte britische Zukunftsforscher Peter Cochrane. Aufgrund eines Autounfalls musste er seinen Besuch vor Ort in Schweinfurt absagen. Per digitaler Live-Schalte aus Ipswich konnte er trotzdem an der Veranstaltung teilnehmen und seinen Vortrag zur Zukunft der Mobilfunktechnologie präsentieren. Cochrane kennt die Materie beruflich aus dem Effeff, schließlich war er langjähriger CTO der British Telecom. Beim Zukunftsforum stellte er unter anderem den nächsten Mobilfunkstandard 6G vor, der enorme Übertragungsraten ermöglichen soll, sich aber aktuell noch in der Erforschung befindet. Daran beteiligt ist auch das deutsche Fraunhofer-Institut. Manche futuristisch anmutenden Ideen sind übrigens schon in der Realität angelangt, zum Beispiel Chip-Implantate im menschlichen Körper für verschiedene Anwendungen. Grundsätzlich muss man sich aber immer fragen, welche Technologien für den gesellschaftlichen Wandel nötig und welche Herausforderungen damit verbunden seien, sagte der Futurist abschließend.

Bevor zum Ende der Veranstaltung der Zukunftspreis verliehen wurde, Zukunftsforum 2022 - Foto (c) Stefan Pfister (75)erwartete die Teilnehmer noch ein musikalisches Highlight. Das Blasorchester Altenahr wurde digital  zugeschaltet. Die Musikerinnen und Musiker hatten den Klimawandel im Vorjahr hautnah miterleben müssen, als die Flutwelle große Teile des Ahrtals zerstörte, darunter auch ihre Instrumente. Mit ihrem gut halbstündigen Konzert – es war das erste überhaupt nach der Hochwasser-Katastrophe – wollten sie auf die verehrenden Folgen des Klimawandels aufmerksam machen und sich bei allen Spendern für ihre Solidarität bedanken. Einen  besonderen musikalischen Gruß schickten sie zum Abschluss nach Schweinfurt: Eigens für das Zukunftsforum hatten die Mitglieder des Blasorchesters das Frankenlied eingeübt und intoniert. Dafür gab es natürlich langanhaltenden Beifall des Publikums.

Das Zukunftsforum ist einer der Höhepunkt im Programm der „Innovation Week Schweinfurt“.  Unter dem Motto #Schweinfurtinnovativ findet von 16. bis zum 22. Mai 2022 die Premiere dieses neuen Formats statt. Es bietet Unternehmen, Institutionen, Wissenschafts- und Bildungseinrichtungen die Möglichkeit, ihre Innovationsstärke mit Veranstaltungen und Events, Aktionen und Vorträgen zu präsentieren. Das Programm wurde unter Federführung der städtischen Wirtschaftsförderung erstellt.

(Text/Fotos © Pressebüro Stefan Pfister, Schweinfurt)

Weitere Informationen zum Zukunftsforum und zur Innovation Week:
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E-Mail: buergerservice@schweinfurt.de

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