"Wurdet ihr schon einmal unfair behandelt?" Die meisten Gymnasiasten kennen das, auch wenn sie es ungern zugeben. Ebru Sari, Alwine und Leslie nehmen diese Frage als Aufhänger, um sieben Klassen aus der fünften Jahrgangsstufe den fairen Handel zu erklären.
Das P-Seminar Fairtrade am Rathenau hatte zum Frühstück eingeladen. In zwei Durchgängen wurden sowohl die Gymnasiasten als auch die Realschüler, über 200 Jugendliche, mit fair gehandelten und regionalen Produkten verwöhnt. Dabei haben die Elftklässler des P-Seminars einiges geleistet. "Es waren drei harte Wochen", sagt Betreuungslehrerin Jutta Rösch.
Noch am Morgen des Frühstücksevents haben die Seminarteilnehmer Äpfel und Bananen geschnitten, Kaffee gekocht. Jetzt stehen sie im Hintergrund und warten auf ihren Einsatz als Bedienung. Die Fünftklässler stürmen den Raum und nehmen ihre Plätze ein.
Menschen, die wie Sklaven leben
Vor dem Frühstück steht die Information. Drei Referentinnen stehen bereit. Eine große Landkarte, weit über die Hälfte der Welt in Dunkelrot. Das sind die Länder, in denen Kinder arbeiten müssen statt zur Schule gehen zu können. Während Kinder bei uns mit sechs Jahren stolz ihre Schultüte tragen, arbeiten Gleichaltrige in anderen Ländern auf Plantagen in sengender Hitze, ohne Wasser und mit einem Lohn, der nicht einmal fürs Essen reicht. "Wie Sklaven", sagt einer der Fünftklässler.
Auch Stadträtin Sorya Lippert beschreibt eine solche Situation: "Die T-Shirts, die ihr anhabt, haben vielleicht Kinder gefertigt, die genauso alt sind wie ihr, aber in dreckigen, lauten Hallen von morgens bis nachts schuften müssen", erklärt sie. Den Fünftklässlern wird schnell klar, was fairer Handel bedeutet und sie kennen das ja auch schon ein bisschen. Schulleiter Ulrich Wittmann ist stolz auf seine "Fair-Trade-Schule". "Bei dieser Frühstücksaktion geht es nun darum, praktisch auszuprobieren, wie Fairtrade schmeckt", betont er.
Die Arbeitsgruppe "Nachhaltigkeit in der regionalen Wirtschaft" der Lokalen Agenda 21 organisiert seit Jahren zusammen mit der Steuerungsgruppe Fairtrade die Aktion Fairtrade-Frühstück. Der Vertreter der Agendagruppe Roland Merz beleuchtet noch einmal eine andere Sichtweise. Bis zum 1. Mai dieses Jahres seien 18 167 Flüchtlinge nach Schweinfurt gekommen, erklärt er. Viele davon könnten in ihrem Land nicht mehr leben, müssten ihre Kinder arbeiten lassen oder gar verkaufen. "Wir sollten überlegen, ob wir daran nicht eine Teilschuld tragen", sagt Merz.
An der Frühstücksaktion beteiligen sich heuer neben der Rathenauschule auch wieder das Main Café, die Staatliche Berufsschule Alfons Goppel, die Krankenpflegeschule St. Josef und der Kindergarten St. Elisabeth. Die Kindergartenkinder bekamen von den Muttis ein faires Frühstück zubereitet. Viel lieber aber erinnern sie sich noch an das Faire Restaurant, das sie selbst aufgemacht haben. Auch hier wurde Regionales mit fair Gehandeltem gemischt. Mit fränkischem Mehl und Milch aus Maibach backten die Kinder Muffins, dazu gab‘s für die Eltern Kaffee aus dem Weltladen. Die Kinder gestalteten Einladungen, zogen sich schick an und nahmen auf Klemmbrettern die Bestellung der Eltern auf. "Ein tolles Restaurant!", schwärmt Veronika strahlend.
Angeregt, so die beiden Erzieherinnen Yvonne Friedrich und Bianca Scholl, wurde das Fairtrade-Restaurant vom Eine-Welt-Ausschuss der Pfarrgemeinde. Seit geraumer Zeit macht der Kindergarten Aktionen in der Fastenzeit; eine Woche lang verkaufen die Kinder fair gehandelte Produkte aus dem Weltladen in ihrer Kita. Heuer wurde das Ganze erstmals durch ein faires Frühstück und das faire Eltern-Restaurant ergänzt.
Spätstück für Pflegeschüler
Frühstück, das kann doch jeder, dachten sich die Schüler der Krankenpflegeschule St. Josef und machten aus dem Frühstück kurzerhand ein Spätstück. Die Schüler, im Durchschnitt zwischen 17 und 25, sind ohnehin eher für das Späte als für das Frühe zu begeistern. Janina kannte faire Produkte bereits vom Weltladen in Hammelburg, den sie früher mit der Schule besucht hat.
Für die Schüler ist der Einkauf im Weltladen kein Thema: "Wenn man noch in Ausbildung ist: zu teuer", sagt Selina. Laura bemängelt die "geringe Auswahl". "Geschmacklich" aber sei alles gut, meint Christina. Die vier haben im Weltladen für dieses Spätstück eingekauft und können sich gut vorstellen, nach der Ausbildung "auch ab und zu mal" dorthin zum Einkaufen zu gehen.
Für Schulleiter Elmar Pfister ist es erstaunlich "wie wenig sich die jungen Leute bislang mit dem Thema beschäftigt haben." Dieses Spätstück aus fair gehandelten Produkten war für die meisten wirklich etwas Neues. Ebenso wie die Tatsache, dass sie sich mit ihrem Einkaufs- und Konsumverhalten für menschenwürdige Arbeitsbedingungen, Umweltschutz und eine gerechte Verteilung in der Welt einsetzen können. Dabei lernen sie in einer Einrichtung, die sich sehr bewusst mit dem Thema auseinandersetzt.
Fairer Kaffee im Krankenhaus
Seit März 2016 gehören die Erlöserschwestern, die Träger des Krankenhauses sind, zum Partnerkaffee Würzburg. In allen ihren Einrichtungen wird fair gehandelter Kaffee aus Tansania ausgeschenkt. 400 000 kleinbäuerliche Familien wird damit das Überleben gesichert. Die Erlöserschwestern lassen sich diese Unterstützung einiges kosten, allein im Krankenhaus St. Josef werden jährlich rund 10 000 Euro mehr ausgegeben, weil statt des herkömmliche Kaffees fair gehandelter eingekauft wird.