Bei einem Treffen mit Oberbürgermeister Sebastian Remelé und Empfang im Rathaus erkundigte sie sich unter anderem über die erfolgreiche Integrationsarbeit beim Projekt „gerne daheim in Schweinfurt“, das zum Jahresanfang neu konzipiert wurde.
Dem Empfang im Rathaus wohnten Vertreter deutscher und türkischer Organisationen und Vereine, verschiedener Gruppen und Integrationsprojekte sowie der Vizepräsident der Regierung von Unterfranken, Dr. Andreas Metschke. Im Rahmen ihrer Ansprache erinnerten beide Redner an die Anfänge der Gastarbeiter in Deutschland – „eine Geschichte voller Höhen und Tiefen, die mit einem Irrtum begann, weil viele eigentlich nach kurzer Zeit wieder in ihr Heimatland zurückkehren wollten“, so Remelé. Heute seien sie sesshafte Mitbürger (Oberbürgermeister), die „größtenteils integriert und angepasst“ seien, ergänzte Çil. Leider habe die Politik spät darauf reagiert, resümierte Remelé, der klar Position bezog: „Wir sind ein Einwanderungsland. Ohne Einwanderer würde auch Schweinfurt anders aussehen.“
In der Stadt Schweinfurt leben 6.474 Ausländer (Stand 31.12.2010), darunter als größte Gruppe 2.400 Menschen mit türkischer Nationalität. Den Worten des Oberbürgermeisters zufolge müssten einige Einrichtungen wie Kindergärten oder Schulen geschlossen werden, wenn es in Zeiten sinkender Geburtenzahlen nicht Kinder mit Migrationshintergrund gäbe. „Sie sind herzlich bei uns willkommen. Wir brauchen Sie!“ Da Integration eine gegenseitige Bringschuld sei, müssten beide Seiten aufeinander zu gehen. Man könne voreinander lernen, zudem habe Deutschland bzw. Schweinfurt viel für Ausländer zu bieten: zum Beispiel ein sehr gutes Bildungssystem, ein pluralistisches-demokratisches System oder auch eine große Vereinslandschaft. „Nutzen Sie dies alles. Ich werde versuchen zu helfen“, versprach er.
Die türkische Generalkonsulin Ece Öztürk Çil lobte das nahezu problemlose Miteinander der Kulturen in Schweinfurt und verwies auf die Erfolge der türkischen Bürger in Deutschland: 80.000 Selbstständige, 350.000 Arbeitsplätze, 40 Milliarden Euro Jahresumsatz. Auch Türken als Lehrer, Ingenieure und in vielen anderen Berufen seien Erfolgsbeispiele. „Die türkische Gesellschaft ist im Aufwind. Sie stellt ein großes Potential für die Zukunft Deutschlands dar“, sagte sie im Hinblick auf den demographischen Wandel und Fachkräftemangel. Ihr Dank galt auch dem Schweinfurter Unternehmen ZF Sachs, das eine neue Broschüre mit Präsentation von erfolgreichen Türken in Deutschland gesponsert hatte.
Ece Öztürk Çil verhehlte allerdings nicht, dass es nach 50 Jahren auch noch Schwierigkeiten gebe. Synergien schaffen und beiderseitiges Bemühen halte sie daher für außerordentlich wichtig. „Wir müssen weiter an der gemeinsamen Zukunft arbeiten, Deutsche wie Türken. Denn nur gemeinsam sind wir stark“. Lobende Worte fand die Generalkonsulin auch für die geplanten Veranstaltungen in Schweinfurt rund um das Jubiläum. Ein Höhepunkt wird die Ausstellung „50 Jahre Anwerbeabkommen mit der Türkei“ sein. Sie soll Ende des Jahres zu sehen sein. An weiteren Veranstaltungen können sich Vereine und Gruppierungen noch beteiligen (Ansprechpartner bei „gerne daheim in Schweinfurt“, Rathaus, Zimmer 112: Frau Dilek Öznur bzw. Harald Mantel, Tel. 09721/51-6845, E-Mail: dilek.oeznur@schweinfurt.de).
Integrationsprojekt „gerne daheim in Schweinfurt“
Das Integrationsprojekt ist seit dem Jahr 2003 bei der Stadt Schweinfurt installiert. Es gilt als Musterbeispiel erfolgreicher Integrationsarbeit. Bereits 2004 erhielt es den Deutschen Kriminalpräventionspreis. Weil Integration immer mehr zu einer kommunalen Daueraufgabe wird, hat der Stadtrat im Herbst eine Fortsetzung beschlossen, mit einigen Neuanpassungen. Der städtische Projektleiter Harald Mantel wurde zum Integrationsbeauftragten der Stadt Schweinfurt ernannt. Für die Polizei ist weiter Peter Feser gleichberechtigter Projektpartner.
Gleichzeitig wurde das Team um zwei wichtige Stützen erweitert: Neu dabei ist Diplom-Germanistin Dilek Öznur, eine gebürtige Türkin, die seit langem in Bamberg lebt. Sie arbeitet künftig als Koordinatorin für interkulturelle Zusammenarbeit, zudem ist sie gemeinsam mit Migrantenorganisationen für die Jubiläumsausstellung verantwortlich. Zweiter Neuzugang ist die gebürtige Russlanddeutsche Erika Ketschik. Die Diplom-Übersetzerin und angehende Sozialwissenschaftlerin, die mit elf Jahren nach Deutschland kam, hier ihr Abitur ablegte und später in England arbeitete, hat die Position der Geschäftsführerin des Integrationsbeirates übernommen. Ketschik soll die Öffentlichkeitsarbeit verstärken und ein interessantes Projekt realisieren: Wie können sich Ehrenamtliche als „Migrationslotsen“ für andere einsetzen?
Wie vielschichtig das Projekt arbeitet, belegen die aktuell 17 Einzelprojekte, die bei „gerne daheim in Schweinfurt“ verankert sind. Sie werden jährlich mit städtischen Mitteln in Höhe von rund 350.000 Euro unterstützt. Im Mittelpunkt der Arbeit steht künftig noch mehr die Integration: dazu zählen etwa die Elternarbeit und Sprachförderung, das bürgerschaftliche Engagement und die interkulturelle Öffnung der Verwaltung; weitere Scherpunktaufgaben sind die Sicherheit, Ordnung und Sauberkeit im öffentlichen Raum, das Thema Kriminalität, das Phänomen Alkohol sowie die stadtteilbezogene Präventionsarbeit.
Anfangs galt das Hauptaugenmerk des Projektes noch den Aussiedlern aus den ehemaligen Sowjetstaaten. Allerdings trifft das Bild der russisch sprechenden und alkoholisierten Jugendlichen in der Öffentlichkeit längst nicht mehr zu, so der Tenor der Experten. Vielmehr tragen die Aussiedler mittlerweile wesentlich zum Gelingen der Integration in Schweinfurt bei. Nach acht Jahren erfolgreicher Kriminalpräventionsarbeit tritt nun der integrative Aspekt noch mehr in den Vordergrund. Für Oberbürgermeister Sebastian Remelé und den Integrationsbeauftragten Harald Mantel steht fest: „Die Zusammenarbeit mit dem Integrationsbeirat und den Migrantenorganisationen ist für die Stadt Schweinfurt sehr wichtig. Aber auch die Schweinfurter Vereine, Organisationen und Einzelpersonen sind herzlich eingeladen mitzuwirken.“
(Text und Fotos: Stefan Pfister)
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