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Interview mit dem Oberbürgermeister zum Jahreswechsel 2016/2017

Oberbürgermeister Sebastian Remelé spricht im Interview über das herausforderndste Jahr seiner Amtszeit und die bevorstehenden Herausforderungen für die Stadt Schweinfurt im neuen Jahr 2017.
 

OB Jahresinterview 2016-2017 (6)Frage: Es gab einiges zu feiern in diesem Jahr: Rückert-Jahr, 50 Jahre Theater und Wildpark und „Fuck You Wagner“, die erste städtische Produktion beim Nachsommer Festival: Welche Ereignisse waren für Sie herausragend in diesem Jahr?
Sebastian Remelé: Es war ein besonderes Jahr, gerade im kulturellen Bereich. Ich habe mich sehr gefreut über die positive überregionale Aufmerksamkeit, die wir durch die Rückert-Ausstellung erfahren haben. Der Nachsommer hat einen ganz neuen Akzent bekommen, mit einer Premiere in Schweinfurt, durch die Schweinfurter Dancefloor Destruction Crew DDC. Beim Theater liegen ein wenig Freud und Leid beieinander, denn so sehr wir uns über unser Theater freuen, so sehr müssen wir jetzt die Sanierung planen. Wir rechnen in den nächsten Jahren mit Kosten von 10 bis 15 Millionen Euro. 2016 war auch das Jahr der Flüchtlinge und Unterbringung der Asylberechtigten und auch der Daueraufgabe Konversion, die uns wieder stark in Beschlag genommen hat.

Die Konversion der früheren US-Liegenschaften ist eine Herkulesaufgabe für die Stadt. Welches sind die nächsten Schritte?
Sebastian Remelé: Zunächst einmal möchte ich anmerken, dass wir sehr zügig arbeiten, nicht umsonst hat die Bundesimmobilienanstalt von einer „Schweinfurter Turbo-Konversion“ gesprochen. Obwohl die Amerikaner erst 2014 abgezogen sind, haben wir schon nahezu alle Flächen erworben, so dass wir nun nicht nur planen sondern in die UmsetzungOB Jahresinterview  2016-2017 Nachsommer - copyright flownmary gehen können. Natürlich wird Wohnen eine wichtige Rolle spielen, außerdem Wissen und Wirtschaft. In Askren Manor werden 600 Wohneinheiten erhalten bzw. neu geschaffen. Dort wollen wir sicherstellen, dass alle Wohntypen angeboten werden, also sowohl Geschossbau mit Appartements von unterschiedlichem Zuschnitt als auch Grundstücke für Reihen- und Einfamilienhäuser, für die weiterhin eine ungebrochen starke Nachfrage existiert.

Die hohe Nachfrage brachte die Stadt mit ihrem zweiten großen Areal Yorktown/Kesslerfield sogar in die Schlagzeilen. 900 Menschen hatten sich um den Kauf der 64 dortigen Doppelhäuser beworben.
Sebastian Remelé: Die Verlosung der Häuser sorgte bayernweit für große Aufmerksamkeit. Nach dem Verkauf im Sommer wohnen nun die ersten Neubürger auf einem ehemaligen OB Jahresinterview  2016-2017 Yorktown VerlosungUS-Areal. Sogar das 2. Kind ist dort schon geboren. Die internationalen Privatschule hat im November ihren Betrieb in der ehemaligen High-School aufgenommen. Wir werden uns noch mit den Sportflächen beschäftigen und nächstes Jahr 20 weitere Baugrundstücke zum Kauf anbieten. Auch soll das Viertel 2017 an den öffentlichen Personennahverkehr angeschlossen werden.
Welche Nutzung ist in der früheren Ledward Kaserne vorgesehen?
In den Ledward Barracks ist „Wissen, Begegnung und Wirtschaft“ vorgesehen. Neben der Erweiterung der Hochschule mit dem i-Campus ist auch eine i-Factory angedacht. Dort soll der Mittelstand die Möglichkeit erhalten, eigene Forschungsprojekte durchzuführen. Zeitgleich soll dort studentisches Wohnen möglich sein. Das Studentenwerk hat bereits einen Wohntrakt erworben, die ersten Appartements sind schon bezogen. Die weitere Entwicklungsfläche wird zurzeit noch von der Erstaufnahmeeinrichtung genutzt. 2026 wollen wir hier die Landesgartenschau durchführen und irgendwann auch eine Veranstaltungshalle errichten.

OB Jahresinterview  2016-2017 Ledward 2030Welche Kosten werden durch die Konversion in naher Zukunft auf die Stadt zukommen?
Sebastian Remelé: Wir werden bis 2019 über 60 Millionen Euro ausgegeben. Dem könnten im Idealfall Erlöse von zirka 56 Millionen Euro gegenüberstehen. Auf den ersten Blick legen wir drauf, aber auf den zweiten Blick ist es eine große Entwicklungschance für unsere flächenmäßig an sich kleine Stadt. Es ist ja nicht nur das Thema Wohnen zu bedienen, sondern diesen neuen Räumen auch eine Infrastruktur zu geben, ich denke da nur an den Schulbereich. Mein fester Wunsch ist, dass in Askren Manor eine Grundschule entsteht beziehungsweise dorthin verlagert wird. Der Sektor Bildung, zu dem wie erwähnt auch die internationale Privatschule und die Hochschule zählen, wird eine zentrale Rolle spielen und ich hoffe sehr, dass der i-Campus auch eine Begegnungsstätte unserer heimischen Wirtschaft mit der FH wird.

Thema Haushalt: Die Abhängigkeit der Stadt von den wirtschaftlichen Entwicklungen ist hinlänglich bekannt. Mit welchen Einnahmen kann die Stadt 2017 rechnen?
Sebastian Remelé: Der Blick in die Glaskugel ist natürlich immer schwierig. Wir dürfen aber wieder von Gewerbesteuereinnahmen von rund 60 Millionen Euro ausgehen. Bei der jetzigen Lage können wir verantwortungsvoll die Investitionen tätigen. Erfreulich hat sich die Haushalt 2017 -Präsentation OB (5)Einkommenssteuer entwickelt. Das ist ja auch ein Messgrad, wie gut geht es den Menschen. Hier merken wir ein leichtes Anwachsen auf über 20 Millionen Euro.  

Immer weniger Flüchtlinge kommen nach Schweinfurt. Wie bewerten Sie die aktuelle Entwicklung?
Sebastian Remelé: Die Situation hat sich fühlbar entspannt. Im Herbst 2015 waren in der Erstaufnahmeeinrichtung noch 2100 Menschen untergebracht. Die Zahl ist jetzt unter die 400er Marke gesunken, wenngleich wir in den nächsten Jahren mit weiteren Zuweisungen rechnen müssen. Und wir dürfen nicht ausblenden, dass die Menschen, die diese verlassen haben, teils im Stadtgebiet geblieben sind. Wir haben mittlerweile über 1.000 anerkannte Asylberechtigte in Schweinfurt wohnen. Diese Menschen werden vom Job-Center betreut und in Sprachkursen und über Integrationsmaßnahmen versorgt. Insofern ist das Thema mitnichten abgearbeitet. Auch werden wir über den Familiennachzug mit einer weiteren Zuwanderung rechnen müssen.

Welche Unterstützung erhält die Stadt bei der Finanzierung dieser Aufgabe?
Sebastian Remelé: Im Vergleich zu den anderen 15 Bundesländern möchte ich eine Lanze für den Freistaat brechen: Er leistet mehr als andere OB Jahresinterview 2016-2017 (1)Länder und schultert den Löwenanteil. Natürlich gibt es finanzielle Verpflichtungen, die die Stadt zu leisten hat. Ich spreche zum Beispiel von unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen,  die über unser Jugendamt betreut werden, was im Übrigen auch einen hohen sozialpädagogischen Aufwand nach sich zieht. Ansonsten haben wir noch die zusätzlichen Personalkosten im Amt für soziale Leistungen zu schultern. Und hier reden wir gleich von hunderttausenden Euro jährlich.

Hohe Wellen hat der Schulentwicklungsplan geschlagen. Vielleicht können Sie kurz erläutern, warum er notwendig war?
Sebastian Remelé: Der Schulentwicklungsplan ist notwendig geworden, weil wir als Verwaltung vom Stadtrat dazu beauftragt worden sind. Hintergrund ist der, dass eine Stadt immer wieder ihre Strukturen auf die Bevölkerungsentwicklung hin überprüfen muss. Und wir kommen nicht um die Feststellung umhin, dass die Schülerzahlen schon seit langer Zeit sinken und die Nachfrage nach Mittelschule, Realschule und Gymnasium stark variiert. Der Schulentwicklungsplan befasst sich deshalb weniger mit pädagogischen Fragen als in erster Linie mit der demographischen Entwicklung Schweinfurts und seiner Region. Der Schülerschwund hat unter anderem dazu geführt, dass in den Gymnasien in den letzten zehn Jahren rund 1.000 Schüler weniger unterrichtet werden. Für die Stadt ist es eine Daueraufgabe, die richtigen Weichen für die Zukunft zu stellen.

Bevor der Plan veröffentlicht wurde, sickerte die mittelfristige Schließung des Walther-Rathenau-Gymnasiums durch. Waren Sie überrascht ob der teils sehr intensiven Reaktionen darauf?
Sebastian Remelé: Es war mir schon vorher klar, dass die Schließung einer Schule, insbesondere die eines Gymnasiums, immer zu großen Irritationen und Ängsten führt. Die Welle der Empörung hat uns dennoch unvorbereitet erwischt, weil wir uns nur im Planungsstadium befunden hatten. Das heißt, wir hatten einen Schulentwicklungsplan in den Grundzügen vorliegen, der als eine von vielen Varianten und vielen Antworten OB Jahresinterview  2016-2017 Rathenauauf die gesamte Schullandschaft unter anderem die Schließung der Rathenau-Schulen vorsah. Leider ist das alles ungefiltert und ohne auch Lehrerschaft und Schüler darauf vorzubereiten an die Öffentlichkeit gedrungen - durch Indiskretionen in Gremien außerhalb Schweinfurts. Wir mussten dann schnell darauf reagieren, und so sind Pläne leider als Fakten aufgefasst worden, ohne dass wir sie in den Ausschüssen und im Stadtrat diskutieren konnten. Dann ist es auch schwierig, solch eine Meldung wieder einzufangen und mit ihr sachlich umzugehen.    

Die Schließungspläne sind vorerst vom Tisch. War es im Nachhinein betrachtet ein Fehler, die aus Ihrer Sicht ungefilterten Pläne zunächst zu verteidigen und am Ende doch zu sagen: Nein, vorerst  werden wir es nicht machen?
Sebastian Remelé: Kommunikativ habe ich sehr viel dazu gelernt. Sicherlich war es unglücklich, dass wir eine theoretische Variante als Quasi-Faktum verteidigen mussten. Das ist ganz schwierig, damit richtig umzugehen. Die Pläne sind jetzt zunächst vom Tisch, das habe ich den betroffenen Schülern und Eltern versichert. Denn der Entschluss, bei der bisherigen Situation zu bleiben, ist durch eine Entscheidung der Bayerischen Landesregierung im Juli ausgelöst worden, durch die Wiedereinführung des neunjährigen Gymnasiums G9 zum Schuljahr 2018/2019. Wir werden nun einen vernünftigen Zeitraum nach 2019 abwarten und uns dann die Entwicklung erneut ansehen. Aber ich sage auch deutlich: Es muss einer Stadt vorbehalten bleiben, ihre Strukturen so anzupassen, sodass sie den Bedürfnissen der Bevölkerungsentwicklung und der Schullandschaft angemessen sind.

OB Jahresinterview 2016-2017 KrönleinDie Innenstadt und der Handel waren 2016 wieder Thema: Maßnahmen zur Attraktivitätssteigerung wurden wegen der vermehrten Leerstände diskutiert und mit dem City-Manager eine neue Stelle im Rathaus beschlossen. Wie stellt sich die Situation aus Ihrer Sicht dar?
Sebastian Remelé: Natürlich ist die Stadt ein wichtiger Mitspieler in der Gestaltung der Innenstadt. Aber wir sind nicht in einer Position, dass wir gesellschaftliche Veränderungsprozesse aufhalten können. Und wir sind nicht der Hauptakteur. Das sind die Eigentümer, die Gewerbetreibenden und die Bürger selbst. Denn auch von ihrem Einkaufsverhalten hängt ab, wie eine Innenstadt sich entwickelt. Wir sehen uns aber in der Verantwortung, unseren Beitrag zu leisten. Den Trend der letzten Jahre, dass die Innenstadt zum begehrten Wohnraum wird, haben wir aufgegriffen: durch die Schaffung von Parkraum bei der Bebauung der Hadergasse, durch das neue Krönlein-Karree, und durch die Bebauung am Fischerrain und an den Brennöfen. Einen weiteren Beitrag leistet die Stadt mit dem neuen Kulturforum Martin-Luther-Platz. Über den neuen City-Manager, der zu Jahresbeginn 2017 eingestellt werden soll, wird die Stadt noch stärker als Mediator auftreten. Dadurch, dass die Stelle im Rathaus installiert ist, wird ihr auch mehr Gewicht verliehen. Trotzdem sind alle gesellschaftlichen Kräfte gefordert, um dem Wandel des digitalen Zeitalters zu begegnen.

Eine Frage an den Familienvater: Bedarf es einer regelmäßigen Animation der eigenen Kinder, in den Geschäften der Innenstadt einzukaufen statt auf Amazon oder Zalando? Bitte eine ehrliche Antwort.
OB Jahresinterview  2016-2017 ErntedankmarktSebastian Remelé: Ganz ehrlich: ja! Es ist eine pädagogische Aufgabe, insbesondere Töchtern klar zu machen, dass man etwa seine Bekleidung nicht nur übers Internet beziehen kann, sondern auch im heimischen Handel. Und diese Aufgabe wird immer schwieriger. Ein Beispiel: Wir hatten kürzlich eine Jacke für eines meiner Kinder in einem Schweinfurter Geschäft kaufen wollen, sie war aber nicht vorrätig. Wir haben sie dann dort bestellt, Lieferfrist zwei Wochen, und mussten sie später auch selber abholen. Die gleiche Jacke hätte ich binnen zwei, maximal drei Tagen im Internet liefern lassen können. Vielleicht sogar günstiger. Es bedarf dann schon eines hohen pädagogischen Aufwandes, der Jugend zu erklären, dass es dennoch der bessere Weg ist. Der Handel muss  hier reagieren, wenngleich ich mit Freude feststelle, dass er sich in Schweinfurt schon bewegt hat. Und der Tag sei gesegnet, an dem wir in der Innenstadt einmal einheitliche Öffnungszeiten haben.

Für einen Oberbürgermeister sind alle Jahre ereignisreich. Würde Sie dennoch sagen, 2016 war die herausforderndste und persönlich auch schwierigste Zeit, seitdem sie im Amt sind?
Sebastian Remelé: Ohne Zweifel! Ich will nicht verschweigen, dass es auch im Rathaus personelle Schwierigkeiten gab. Die seit Ostern vakante OB Jahresinterview 2016-2017 (2)Stelle des Personalamtsleiters hat auch mich in Beschlag genommen.  Wenn man sich mit Bürgermeisterkollegen austauscht, dann ist die Erfahrung die, dass die zweite Amtszeit immer die schwierigste ist. Man hat nicht mehr die Schonfrist des Neuen, man muss in diesen Jahren manchmal auch unliebsame Entscheidungen treffen, und man tritt Menschen manchmal auf die Füße. Und ja, man macht auch Fehler, das will ich gar nicht verleugnen. Insofern war es ein in jeder Hinsicht forderndes Jahr.

Was haben Sie aus alledem gelernt?
Sebastian Remelé: Ich glaube, man muss sich im Amt des Oberbürgermeisters ein hohes Maß an Neugierde bewahren, immer gut zuhören können, aber auch bereit sein, wenn man glaubt eine richtige Entscheidung zu treffen, eine solche durchzustehen. Man darf nie resistent werden gegen Beratung. Vieles, was man erlebt, wird von anderen nicht immer als Katastrophe aufgefasst. Ich ziehe nach wie vor eine Bilanz der Dankbarkeit, denn man muss auch immer wieder die Relationen herstellen. Und da muss ich ganz deutlich sagen: Uns und auch mir persönlich geht es sehr sehr gut.

Herr Oberbürgermeister, vielen Dank für das Gespräch.

Das Gespräch führten Stefan Pfister und Sven Schröter für das Bürgermagazin "schweinfurter". Das aktuelle Magazin Nr. 15 (Dez. 2016) finden Sie hier als PDF Download: https://www.schweinfurt.de/leben-freizeit/m_25030

Neujahrsgrüße von Oberbürgermeister Sebastian Remelé


Bildbeschreibungen / Copyrights (von oben nach unten, inkl. Teaser-Foto)
1. Oberbürgermeister Sebastian Remelé --- (c) Foto: Stefan Pfister
2. Oberbürgermeister Sebastian Remelé mit Rückert-Büste --- (c) Foto: Stefan Pfister
3. Premiere Nachsommer Produktion "Fuck You Wagner" mit der Formation DDC --- (c) Foto: flownmary
4. Konversion: Verlosung Häuser in Yorktown --- (c) Foto: Stefan Pfister
5. Konversion: Nach den Plänen des Landschaftsarchitekten Frank Kiessling sowie der Architekten Bernhard Winking und Stefan Waselowsky aus  Hamburg soll das Ledward-Areal bis 2030 umgestaltet werden. --- (c) Foto: Winking Froh Architekten
6. Haushalt 2017 --- (c) Foto: Stefan Pfister
7. Oberbürgermeister Sebastian Remelé --- (c) Foto: Stefan Pfister
8. Rathenau Schulen --- (c) Foto: Stefan Pfister
9. Baustelle Krönlein City-Karree Am alten Postplatz in der Innenstadt --- (c) Luftbild: Bauprojekte Schweinfurt OHG / Josef Müller
10. Neuer Erntedankmarkt auf dem Marktplatz im Oktober --- (c) Foto: Stefan Pfister
11. Oberbürgermeister Sebastian Remelé --- (c) Foto: Stefan Pfister

 

Kontakt
Stadt Schweinfurt
Markt 1
97421 Schweinfurt
Tel: +49 (9721)51-0
Fax: +49 (9721)51-266
E-Mail: buergerservice@schweinfurt.de

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